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Zur Baugeschichte des Hotel Silber

Die Diskussion über den Umgang mit dem Gebäude in der Dorotheenstraße 10 wurde in den vergangenen Jahren begleitet, wenn nicht initiiert, durch eine lebhafte, zum Teil hitzige Debatte über dessen historische Bausubstanz.

Es ging, salopp formuliert, um die Fragen: Wie viel „Gestapo“ steckt noch in dem heutigen Bau? Wie groß waren die Zerstörungen an dem Gebäude durch einen alliierten Luftangriff im September 1944 tatsächlich? Handelt es sich um einen authentischen Ort oder lediglich um einen Neubau auf den Koordinaten des nicht mehr existierenden Hotel Silber?

Die Baugeschichte des Hotel Silber ist durch Akten des Baurechtsamts der Stadt Stuttgart und des Amts für Vermögen und Bau des Landes Baden-Württemberg gut dokumentiert. Im Folgenden werden die wichtigsten Veränderungen am Gebäude dokumentiert.

1873 bis 1897

Heinrich Silber erwarb das Gasthaus „Zum Bayerischen Hof“. Er gab ihm seinen Namen und erweiterte den Bau um ein Stockwerk (nunmehr vier Stockwerke plus Keller und Dachgeschoss). Die Fassade erhielt erste Schmuckelemente. Das neue Hotel Silber stand etwa auf zwei Dritteln der heutigen Grundfläche. Das sich zum Charlottenplatz hin an das Hotel Silber anschließende Gebäude zählte damals noch zur Lederstraße.

1897

Der neue Besitzer des Hotel Silber, Wilhelm Bubeck, kaufte das Gebäude Lederstraße 1 dazu und erweiterte den Bau auf seine heutige Grundfläche. Vergleiche von Grundrissen der einzelnen Stockwerke von 1897 und 1941 zeigen, dass nach 1897 keine wesentlichen Baumaßnahmen mehr vorgenommen wurden.

Das Hotel gehörte zu den ersten Adressen in Stuttgart. In ihm verkehrte die feinere Gesellschaft. Im Restaurant gründeten begeisterte Motorradfahrer 1903 die „Deutsche Motorradfahrer-Vereinigung“, aus der später der ADAC hervorging.

1913

Ab 1913 gaben Elemente im Neorenaissance-Stil dem Hotel Silber die äußere Gestalt, die es bis zum September 1944 hatte. 1906 hatte Heinrich Stapff das Gebäude gekauft.

1919 verkaufte Stapff das Hotel Silber an die württembergische Staatsfinanzverwaltung, die den Bau von 1920 bis 1928 an  die Oberpostdirektion der Deutschen Reichspost vermietete.

1928 zog das Stuttgarter Polizeipräsidium inklusive der Abteilung der Politischen Polizei ein. Ab November 1933 nutzte die personell stark angewachsene und 1936 in Geheime Staatspolizei unbenannte Politische Polizei das Gebäude alleine.

12. und 13. September 1944

Bei einem alliierten Luftangriff wurde der westliche, von der Dorotheenstraße aus rechte Flügel des Hotel Silber bis auf den Keller und Teile der Fassade zerstört. Der östliche Gebäudeteil inklusive Treppenhaus blieb bis auf das Dach weitgehend unbeschädigt. Er konnte von der Gestapo weiter genutzt werden. Die Zentrale wurde jedoch in das „Eduard-Pfeiffer-Haus“ in der Heusteigstraße 45 verlegt, in dem ab 1947 der Landtag von Württemberg-Baden und von 1952 bis 1961 der Landtag von Baden-Württemberg tagte.

Nach dem Ende des so genannten Dritten Reichs zog im Mai 1945 das Stuttgarter Polizeipräsidium in die erhalten gebliebene Hälfte des Hotel Silber. Bis 1984 blieb es Polizeidienststelle.

1947 bis 1949

Im Auftrag der Stadt Stuttgart wurde der zerstörte Westteil unter Leitung des Architekten Hans Zimmermann neu errichtet. Zur Rückseite hin wurden Haftzellen eingebaut. Der östliche Gebäudeteil blieb bis auf ein neues Dach unverändert. Die Zellen der Gestapo im Keller wurden vom Polizeipräsidium für den befristeten Gewahrsam weiter genutzt, bis 1948 im westlichen Neubauteil die ersten Zellen nutzbar waren. Daraufhin wurden die Trennwände der Zellen eingerissen und der Raum zum Speisesaal der Kantine umfunktioniert.

1953

Der alte östliche Gebäudeteil des Hotel Silber wurde saniert und dabei Heizungsanlagen sowie elektrische und sanitäre Installationen erneuert. Die Fassade wurde dem westlichen Neubau angepasst. Ob auch am Fundament gearbeitet wurde, ist unklar.

1985 bis 1988

Im Zuge der Übernahme des Hotel Silber durch das Innenministerium ließ das Land den Bau sanieren. Die Planer gingen zunächst davon aus, dass die von 1897 stammende Bausubstanz im östlichen Gebäudeteil ersetzt, dieser Flügel also entkernt werden müsste. Gutachten attestierten jedoch einen ausreichenden Erhaltungszustand. Nicht zuletzt aus Kostengründen blieb die Bausubstanz daher weitgehend unangetastet. Punktuell wurden jedoch Trennwände entfernt oder neu eingezogen, um den Bedürfnissen des neuen Nutzers gerecht zu werden. Lediglich das Dach wurde komplett erneuert, die Fassade neu gestaltet.

2008

Eine Bürgerinitiative gründete sich mit dem Ziel, den im Rahmen eines Bebauungsplans vorgesehenen Abriss des Hotel Silber zu verhindern.

2010

Die Landesregierung bewilligte Mittel für die Erforschung der Geschichte des Hotel Silber und der Gestapo in Württemberg-Hohenzollern. Im Januar 2011 begannen daraufhin die Arbeiten im Haus der Geschichte Baden-Württemberg.

2011

Die neue grün-rote Landesregierung entschied sich für den Erhalt des Hotel Silber.

2012

Im Sommer 2012 konstituierte sich ein Runder Tisch mit dem Ziel, über den institutionellen Rahmen und die Konzeption eines „Erinnerungsorts Hotel Silber“ zu beraten. Am Runden Tisch sind die Landesregierung, die Landtagsfraktionen, die Landeszentrale für politische Bildung, das Haus der Geschichte Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, die Gemeinderatsfraktionen, der Verein „Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V.“, die Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen, die Jugendorganisationen der Grünen, der SPD, der CDU und der FDP, die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, der Verband deutscher Sinti und Roma und der Verein Weissenburg e.V. vertreten.

Zeichnungen zur bestehenden und künftigen Ansicht des Gebäudes von der Dorotheenstraße aus, 1873
Grundrisse des zweiten Stocks von 1897 und 1941
Teilansicht des zerstörten westlichen Flügels mit erhaltenen Resten der Fassade, 1947
Grundriss des zweiten Stocks aus dem Baugesuch von 1947
Grundriss des Untergeschosses aus dem Baugesuch von 1947
Rückseite des westlichen Neubaus, 1949

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