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Das Hotel Silber und Wir

Hotel Silber  ein wohlklingender Name für ein vornehmes Hotel am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wo sich die bessere Stuttgarter Gesellschaft traf, wo Vereinstreffen stattfanden.

Hotel Silber  der Sitz des Polizeipräsidiums und der Politschen Polizei am Ende der Weimarer Republik. Hier versuchte man, die linken und rechten Extremisten zu überwachen.

Hotel Silber  das mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Württemberg im März 1933 systematisch zum Hauptquartier des Terrors im Land ausgebaut wurde. Von hier aus verfolgte man zunächst die politischen Gegner von SPD und KPD, vom Zentrum und den Kirchen. Später traf es dann die jüdischen Württembergerinnen und Württemberger, im Krieg noch die Zwangsarbeiter. Homosexuelle, Sinti und Roma oder so genannte Asoziale waren schon in der Weimarer Republik verfolgt worden und wurden nun einer verschärften Unterdrückung ausgesetzt. Vom Hotel Silber aus organisierte die Gestapo die Verhaftungen, die Verschickung in die Konzentrations- und später in die Vernichtungslager.

Nicht heimlich, sondern ganz offen arbeitete die Gestapo. Sie stand im Telefonbuch und jeder im Land wusste, wer dort wirkte. Dabei war die scheinbar allmächtige Gestapo personell zwar nach 1933 massiv ausgebaut worden. Trotzdem war sie auf die Mithilfe der „Volksgenossinnen“ und „Volksgenossen“ angewiesen. Und an Denunziationen gab es keinen Mangel. Die Mehrzahl der Bevölkerung trug den Ausschluss vieler Menschen aus der so genannten Volksgemeinschaft willig mit.

Nach Kriegsbeginn wurde das Personal der Stuttgarter Gestapo ein integraler Bestandteil des europaweiten Terrornetzwerks des Deutschen Reichs. Mitglieder der Stuttgarter Gestapo waren in schwerste Verbrechen verwickelt. Noch kurz vor Kriegsende wurden im Hotel Silber mehrere Menschen brutal ermordet.

Nach Kriegsende wurde der erhalten gebliebene Teil des Gebäudes wieder zum Polizeipräsidium, der zerstörte Flügel schnell wieder aufgebaut. Die Gestapo-Leute versuchten unterzutauchen, was allerdings nur wenigen dauerhaft gelang. Während in den ersten Jahren nach dem Krieg noch große Anstrengungen unternommen wurden, die Verbrechen der Gestapo aufzuklären und der Verbrecher habhaft zu werden, sank das Interesse in den 1950er Jahren deutlich. Nur wenige versuchten, an die schreckliche Geschichte des Gebäudes zu erinnern. Einige Gruppen wie Homosexuelle, Sinti und Roma, aber auch so genannte Asoziale, unterlagen weiterhin strenger polizeilicher Kontrolle und juristischer Verfolgung. Dies begann sich erst Ende der 1960er Jahre langsam zu ändern.

Als der Abriss des Gebäudes 2008 drohte, regte sich lauter Protest dagegen. Das Gebäude bleibt erhalten und wird „Erinnerungs- und Lernort" werden. Bei den Auseinandersetzungen um den Erhalt des Gebäudes kam seine Geschichte zu kurz. Das Haus der Geschichte Baden-Württemberg stellt nun den derzeitigen Kenntnisstand über das Hotel Silber ins Netz. Es ist kein abschließender Befund, sondern der Beginn einer inhaltlichen Beschäftigung mit dem Ort, vor allem mit den Tätern und natürlich auch mit den Opfern.

Es zeigt den „ganz normalen“ Terror im „Dritten Reich“. Das Hotel Silber war eine von knapp 20 Gestapoleitstellen im Reich. In Württemberg existierte kein großes Konzentrationslager und auch kein Vernichtungslager. Hier herrschte nicht das Einmalige und Spektakuläre, sondern der alltägliche Schrecken. Das Hotel Silber spiegelt das erschreckend reibungslose Hinübergleiten von der demokratischen Weimarer Republik in die Diktatur des „Dritten Reichs“. Der Ort steht aber auch für den schwierigen, schließlich aber gelungenen Neubeginn einer demokratischen Polizei, wie wir sie heute kennen.

Wir wünschen uns, dass sich möglichst viele Menschen mit der Geschichte des Hotel Silber beschäftigen und hoffen, dass wir auf diese Weise noch viele zusätzliche, heute noch unbekannte Geschichten und Informationen erhalten, die später dann auch in den „Erinnerungs- und Lernort" einfließen werden.

- Thomas Schnabel, Leiter des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg -

Das so genannte Hotel Silber im Juli 2014

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