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Die Stellvertreter

Die Biografien der Stellvertreter weisen große Gemeinsamkeiten auf. Fünf der stellvertretenden Leiter der Politischen Polizei bzw. der Gestapo waren promovierte Juristen. Für sie war Stuttgart nur eine Station auf ihrer Karriereleiter. Sie übernahmen anschließend die Leitung anderer Staatspolizei(leit)stellen oder Dienststellen der Sicherheitspolizei in den besetzten Gebieten.

Sie waren relativ jung (geboren zwischen 1903 und 1910), hoch motiviert und ideologisiert sowie anpassungsbereit. Überzeugt stellten sie sich in den Dienst des NS-Staats und nutzten die Aufstiegschancen, die ihnen die Sicherheitspolizei bot. An der Umsetzung der Vernichtungspolitik vor allem gegenüber den europäischen Juden waren sie maßgeblich beteiligt.

Wilhelm Harster wurde 1940 Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD (BdS) in den Niederlanden und organisierte dort die Deportation der niederländischen Juden. Heinrich Fehlis ging während des Kriegs nach Oslo und leitete zunächst das dortige Einsatzkommando 1, bevor er BdS für Norwegen wurde. Rudolf Erwin Lange war ab Dezember 1941 Leiter des Einsatzkommandos 2 in Lettland und Teilnehmer der Wannsee-Konferenz. Hermann Friedrichs arbeitete als Stellvertreter des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD (KdS) in Minsk und war Anfang 1945 Stellvertreter des BdS für die „Festung Königsberg". Rudolf Schröder diente 1941 im Stab der Einsatzgruppe B. Helmuth Koschorke war zwar kein Jurist, wechselte aber während des Kriegs von der Ordnungspolizei zur Sicherheitspolizei und war 1944 Leiter der Außenstelle der Staatspolizeistelle Brünn in Mährisch-Ostrau; Anfang 1945 arbeitete er beim KdS in Veldes.

Friedrich Mußgay, der spätere Leiter der Gestapo Stuttgart, und Hans Engelbrecht fallen aus diesem Muster heraus. Sie waren älter und hatten ihre beruflichen Karrieren nicht unmittelbar vor oder während der NS-Zeit begonnen, sondern nach dem Ersten Weltkrieg, den sie als Soldaten erlebt hatten. Anders als ihre Kollegen verfügten sie nicht über eine akademische Ausbildung. An ideologischer Überzeugung aber mangelte es ihnen nicht. So hatte sich Engelbrecht bereits 1919 im rassistischen und antisemitischen Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund engagiert. Dieser propagierte den gewaltsamen politischen Sturz der Weimarer Republik, beklatschte die Morde an Walter Rathenau und Matthias Erzberger und forderte die scharfe Segregation von Juden.

Wilhelm Harster, um 1937

Wilhelm Harster

  • geboren am 21. Juli 1904 in Kelheim
  • 1922 Abitur
  • 1927 Promotion an der Universität Erlangen
  • ab 1929 bei der Kriminalpolizei Stuttgart
  • ab 1931 Dienst bei der Politischen Polizei und dort wahrscheinlich ab November 1933 stellvertretender Leiter
  • von April bis September 1937 kommissarischer Leiter der Staatspolizeileitstelle Stuttgart
  • Ende 1937 Wechsel zum Geheimen Staatspolizeiamt Berlin
  • 1938 Ernennung zum Leiter der Staatspolizeistelle Innsbruck
  • mit Kriegsbeginn folgten die Stationen Sicherheitspolizei Krakau, Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD Kassel, BdS Holland, BdS Italien
  • 1949 Verurteilung zu zwölf Jahren Haft in Den Haag
  • 1955 Haftentlassung
  • 1956 Regierungsrat im bayerischen Innenministerium
  • Harster unterhielt nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik ein Netzwerk ehemaliger Mitarbeiter des SD und der Sicherheitspolizei und stand durch diese wohl auch im engen Kontakt zum Bundesnachrichtendienst (BND)
  • Suspendierung im Jahr 1963 nach Aufnahme von Ermittlungen der deutschen Justiz
  • 1967 vom Landgericht München wegen Verantwortung an der Deportation der niederländischen Juden zu 15 Jahren Haft verurteilt, allerdings 1969 schon wieder entlassen
  • Harster pflegt weiter enge Kontakte vor allem zu ehemaligen Mitarbeitern seiner Dienststellen während des NS-Regimes.
  • gestorben am 25. Dezember 1991 in München
  • Beitritt zur NSDAP am 1. Mai 1933
  • Beitritt zur SS am 9. November 1933
Wilhelm Harster, um 1937

Heinrich Fehlis

  • geboren am 1. November 1906 in Wulften/Harz
  • 1926 Abitur
  • Jurastudium
  •  1935 Eintritt in die Gestapo Berlin
  • im September 1937 Aufnahme des Diensts als stellvertretender Leiter in der Staatspolizeileitstelle Stuttgart
  • im August 1939 Versetzung zur Gestapo Frankfurt am Main als Leiter
  • 1940 Kommandierung nach Norwegen als Führer einer Einsatzgruppe, später BdS für Norwegen
  • Selbstmord am 11. Mai 1945
  • Beitritt zur NSDAP am 1. Mai 1933
  • Beitritt zur SS am 10. September 1935 (Übertritt aus der SA, dort seit dem 1. April 1933)
Heinrich Fehlis, um 1937

Rudolf Schröder

  • geboren am 7. November 1903 in Dresden
  • 1923 Abitur
  • Jurastudium in Tübingen und Leipzig
  • im Juli 1934 Beitritt zur Gestapo Dresden
  • von Juli 1935 bis Dezember 1937 Dienst beim SD
  • ab Dezember 1937 Dienst bei der Gestapo Stuttgart, von August bis Oktober 1939 stellvertretender Leiter
  • ab Oktober 1939 stellvertretender Leiter der Staatspolizeistelle Köslin
  • ab Februar 1940 Leiter der Gestapo-Stellen in Bielefeld, Reichenberg und Weimar
  • Sommer bis Dezember 1941 als Verbindungsmann zum rückwärtigen Heeresgebiet und im Stab der Einsatzgruppe B
  • nach dem Krieg lebte Schröder zunächst in Wernigerode, bevor er 1949 in die BRD übersiedelte. 1960 arbeitete er als Verwaltungsangestellter beim Landratsamt St. Goarshausen
  • 1962 Verurteilung zu einem Jahr Gefängnis durch das Schwurgericht Paderborn wegen Beihilfe zum Totschlag eines polnischen Zwangsarbeiters
  • Beitritt zur NSDAP am 26. November 1931
  • Beitritt zur SS am 15. November 1934 (Übertritt aus der SA, dort seit dem 26. November 1931)
Rudolf Schröder, um 1936

Rudolf Lange

  • geboren am 18. April 1910 in Weißwasser
  • 1928 Abitur
  • Jurastudium
  • 1933 Promotion
  • 1936 Dienst im Geheimen Staatspolizeiamt Berlin
  • 1938 Wechsel zur Staatspolizeileitstelle Wien
  • im Juni 1939 Wechsel zur Staatspolizeileistelle Stuttgart, dort ab Oktober stellvertretender Leiter
  • von Mai bis Juli 1940 kommissarischer Leiter der Staatspolizeistellen Erfurt und Weimar
  • ab September 1940 stellvertretender Leiter der Staatspolizeileitstelle Berlin
  • ab Juni 1941 im Stab der Einsatzgruppe A
  • ab Dezember 1941 Führer der Einsatzgruppe 2 und ab Februar 1942 Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Riga
  • im Januar 1945 mit der Wahrnehmung der Geschäfte des KdS Posen beauftragt (im August 1944 war die Staatspolizeileitstelle Posen mit der Kriminalpolizeistelle zum KdS Posen zusammengefasst worden)
  • Selbstmord am 23. Februar 1945
  • Beitritt zur NSDAP am 1. Mai 1937
  • Beitritt zur SS am 30. September 1937
Rudolf Lange, um 1937

Friedrich Mußgay

  • von Mai 1940 bis Juli 1941 Stellvertreter des Leiters der Staatspolizeileitstelle Stuttgart
  • anschließend selbst Leiter der Staatspolizeileitstelle Stuttgart

Die StellvertreterMehr zu Friedrich Mußgay


Friedrich Mußgay, um 1927

Hans Engelbrecht

  • geboren am 6. Mai 1898 in Stuttgart
  • Mittlere Reife
  • ab 1913 Laufbahn des gehobenen mittleren Justizdiensts
  • 1916 bis 1918 Einsatz an der Westfront
  • 1919 Eintritt in den antisemitischen Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund
  • 1921 bis 1923 Beschäftigung beim Finanzamt Stuttgart
  • 1923 Eintritt ins Polizeipräsidium Stuttgart, dort hauptsächlich Einsatz bei der Kriminalpolizei, zeitweise auch bei der Politischen Polizei
  • im Oktober 1933 Ernennung zum Leiter der Außenstelle der Politischen Polizei in Friedrichshafen
  • 1940 Wechsel zur Staatspolizeileitstelle Stuttgart, wo er die Leitung der Exekutivabteilung von Friedrich Mußgay übernahm
  • Juli 1940 bis Dezember 1940 während der Abwesenheit des Leiters Boës und seines Stellvertreters Mußgay de facto Leiter der Amtsgeschäfte
  • vermutlich von Juli 1941 bis November 1943 Stellvertreter des Leiters
  • im Frühjahr 1944 Wechsel zum BdS Straßburg
  • nach dem Krieg entzog er sich einem Entnazifizierungsverfahren
  • juristische Ermittlungen und Anklagen blieben ergebnislos
  • Beitritt zur NSDAP am 1. Mai 1933
  • Beitritt zur SS am 12. April 1938
Hans Engelbrecht, 1939

Hermann Friedrichs

  • geboren am 22. April 1910 in Berlin
  • 1929 Abitur
  • Jurastudium, 1939 große juristische Staatsprüfung
  • ab Juli 1938 im SD-Hauptamt, später Amt II des RSHA
  • von April bis Oktober 1943 Stellvertreter des KdS Minsk
  • im November 1943 Ernennung zum stellvertretenden Leiter der Staatspolizeileitstelle Stuttgart
  • ab Juli 1944 beim SS- und Polizeigericht in Riga
  • Januar bis März 1945 Stellvertreter des BdS für die „Festung Königsberg"
  • April/Mai 1945 stellv. Leiter der Staatspolizeistelle Chemnitz
  • lebte bis1948 unter falschem Namen in Bayern, wurde dann als Minderbelasteter eingestuft und siedelte nach Metzingen zu seiner Familie über
  • 1956 Zulassung als Rechtsanwalt in Metzingen
  • Beitritt zur NSDAP am 1. Mai 1937
  • Beitritt zur SS am 1. Dezember 1935 (Übertritt aus der SA, dort seit dem 1. November 1933)
Hermann Friedrichs, 1936

Helmuth Koschorke

  • geboren am 11. August 1905 in Allenstein
  • Besuch des Gymnasiums ohne Abitur zu machen
  • für einige Semester Studium an der landwirtschaftlichen Hochschule in Königsberg
  • 1928 Übersiedlung nach Berlin, Tätigkeit für die Presse der NSDAP („Der Angriff“, „Großdeutscher Pressedienst“)
  • ab 1934 Arbeit in der Pressestelle der preußischen Landespolizei unter Kurt Daluege, später Übernahme in das Hauptamt der Ordnungspolizei, Publikation mehrerer propagandistischer Bücher über die Polizei und deren Einsatz während des Kriegs
  • von Januar bis April 1944 Leiter der Außenstelle der Staatspolizeistelle Brünn in Mährisch-Ostrau
  • von Juni 1944 bis zum 30. Januar 1945 stellvertretender Leiter der Staatspolizeileitstelle Stuttgart
  • ab Februar 1945 beim KdS Veldes als Leiter der Abt. IV (Gestapo)
  • Beitritt zur NSDAP am 1. Januar 1931
  • Beitritt zur SS am 5. Juni 1933
Helmuth Koschorke, undatiert

Herbert Müller

  • geboren am 25. November 1908 in Berlin
  • 1927 bis 1931 Jura-Studium in Berlin und Bonn
  • 1935 als Abteilungsleiter zur Staatspolizeileitstelle Berlin
  • im Februar 1945 als SS-Sturmbannführer und Regierungsrat  vom Amt VI des Reichssicherheitshauptamt als Stellvertreter des Leiters zur Stuttgarter Gestapo versetzt

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